Das Nachbarhaus Kaiser-Wilhelm-Straße 5 und die Familie Alexander von Düring
Da von der Kaiser-Wilhelm-Straße 6 wenig über den beruflichen und familiären Hintergrund des Eigentümers bekannt ist, stelle ich an dieser Stelle die Nachbarn der Nummer 5 vor, die mit dem Besitzer der Nummer 6, Herrn Staude, schon in Kontakt waren, bevor die Häuser gebaut wurden. Die Nummer 5 wurde auf den Grundstücken 1457 III und IV errichtet. Dazu die Vorgeschichte:
Am 14.02.1895 informierte die Kämmerei den Rat über weitere Kaufinteressenten. Für das Grundstück 1457 III habe Maurermeister Ehlers 200 Mark je Quadratrute geboten und Maurermeister Berringer wolle zum gleichen Preis ebenfalls 1457 III sowie IV erwerben „… und will die Plätze nur mit einem Gebäude, einer größeren Villa, bebauen.“ Der Rat erteilte Berringer den Zuschlag für beide Grundstücke, die Bürgerschaft genehmigte den Verkauf.
Dass zwei Grundstücke erworben wurden, um darauf nur ein Haus zu errichten, sollte den Bau des Hauses Nr. 6 erleichtern. Am 26.03.1895 hatte sich nämlich Herr Staude an den Rat gewandt, weil er seine Haustür nicht an der Vorderfront, sondern an der Nordostseite des Hauses als Seiteneingang platzieren wollte. Dieses Vorhaben machte den Bau einer „kleinen Freitreppe von sieben Stufen mit Podest“ erforderlich. Herr Staude beschwerte sich, weil diese Treppe von der Baupolizei nicht genehmigt werde, und zwar aus „Schönheitsrücksichten, denn ein anderer Grund ist nicht vorhanden“ und bat den Rat um Genehmigung. Der Rat befürwortete Staudes Antrag, doch die Bürgerschaft lehnte am 10.04.1895 ab. Hintergrund des Vetos war der §4 der Rostocker Baupolizeiverordnung vom 08.06.1894, nach der der Mindestabstand von baulichen Anlagen zum Nachbargrundstück zwei Meter betragen sollte.
Am 04.05. teilte die Kämmerei dem Rat mit, dass der Bauherr der Grundstücke 1457 III und IV, der Oberlandesgerichtsrat von Düring am 20.04.das Angebot gemacht hätte, einen 1,5 m breiten Streifen, insgesamt 95 m² an Herrn Staude zu verkaufen. (Die Stadt musste aufgrund ihres Vorkaufsrechts an diesem Vorhaben beteiligt werden.) Der Rat befürwortete den Verkauf und bat mit Schreiben vom 06.05. die Bürgerschaft um Zustimmung.
Zwischenzeitlich hatte sich Alexander von Düring in einer anderen Angelegenheit beim Rat über einen Bescheid der Kämmerei beschwert, weil diese die Grundstücke 1457 III und IV nicht als ein Grundstück ausgewiesen hatte, wie das Herr von Düring gewollt hatte. Am 13.05.1895 genehmigte die Bürgerschaft den Verkauf des Grundstücksstreifens, „nur bedingen wir, daß die beiden dem Herrn Oberlandesgerichtsrath von Düring gehörenden Grundstücke zu einem Grundstück zusammengelegt werden.“
Herr Staude durfte seine Freitreppe bauen und Herrn von Dürings Grundstück hatte fortan die Nummer 1457 III.
Im Gegensatz zum Haus Nr. 6 sind von der Nr. 5 frühe Abbildungen des Hauses und seiner Bewohner überliefert.
Die Kaiser-Wilhelm-Str.5, Aufnahme von ca. 1905, Ansichtskarte, verlegt bei Carl Rahtkens, Rostock
Bei genauerem Hinsehen sind außer den beiden am Zaun sitzenden Kindern, links daneben hinter dem Zaun zwei stehende Frauen zu erkennen. Und auf dem Treppenaufgang, rechts am Haus mindestens drei Personen.
Bei den im Vorgarten stehenden Frauen könnte es sich um Dienstpersonal handeln, die ganz rechts auf der Treppe stehende Person könnte Elisabeth von Düring sein. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war ihr Ehemann Alexander von Düring bereits verstorben.
Alexander von Düring, 1850-1899, entstammte einer niedersächsischen Adelsfamilie, deren Ursprünge sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Alexander von Düring war großherzoglicher mecklenburgischer Oberlandesgerichtsrat, von 1888 bis 1894 am Oberlandesgericht und von 1895 bis 1898 Vertreter am Gerichtshof zur Entscheidung von Competenzconflicten in Rostock. Er lebte ab 1888 in Rostock, zuerst in der Langen Straße, dann in der St. Georg-Straße und ab 1897 in der Kaiser-Wilhelm-Straße 5. Im Jahr 1899 findet sich der Name von Dürings im Verzeichnis der Mitglieder des Vereins für Rostocker Altertümer.
Alexander von Düring war zweimal verheiratet. Aus der ersten Ehe mit Emilie geb. von Strauß und Torney gingen die Kinder George, Victor, Elisabeth und Lilly hervor. Victor starb bereits kurz vor seinem ersten Geburtstag. Emilie von Düring starb 1887, wenige Wochen nach der Geburt der Zwillinge Elisabeth und Lilly. 1888 heiratete Alexander von Düring Elisabeth Burmeister, die die Kinder Ernst, Mathilde, Gerda und Kurt gebar. Auch nach dem Tod des Hausherrn 1899 lebte Elisabeth von Düring mit vier eigenen und drei Stiefkindern in der Kaiser-Wilhelm-Straße 5.
Laut der Volkszählungsliste lebte Elisabeth von Düring im Jahr 1900 mit den Stiefkindern Ella und Lilly und den eigenen Kindern Mathilde, Gerda, Ernst und Kurt sowie einem Kindermädchen, einer Köchin und zwei Hausmädchen in der Villa.
Als die Kinder groß und wohl auch fortgezogen waren, zog Frau von Düring im Jahr 1922 in die Große Mönchenstraße und 1931 in die St.Georg-Straße, wo sie bis zu ihrem Tod 1934 lebte.
Von einigen Kindern gibt es Fotos aus der Rostocker Zeit.
Ernst, geb.17.02.1890, Aufnahme vom 28.02.1891
George (*1884), Mathilde (*1893) und Lilly (*1887), keine Angabe zum Aufnahmedatum; wahrscheinlich 1894 aufgenommen
George, aufgenommen im Dezember 1900
Lilly, ohne Jahr, nach 1904
Alle Aufnahmen wurden bei Steenbock & Sohn bzw. bei Franz Steenbock (das ist der Sohn) gemacht. Das Atelier zählte zu den ältesten der Stadt. Sievert Steenbock, 1822-1904, betrieb ab 1855 ein photographisches Atelier in Rostock. Ob einige der hier abgebildeten Aufnahmen von ihm oder alle von seinem Sohn Franz (*1860) stammen, ist nicht bekannt.