Friedrich Reincke fotografierte in den Jahren 1902 und 1903 in Rostock und Warnemünde. In seinem Bildverzeichnis hat Reincke 17 Aufnahmen von Rostock notiert, alle aus dem Jahr 1902. Von Warnemünde sind 32 Aufnahmen erfasst, 31 von 1902 und eine von 1903. Die Aufnahmen aus dem Jahr 1902 wurden sehr wahrscheinlich im Juni aufgenommen, denn die abgebildeten Bäume stehen nahezu alle schon voll im Laub.
Auch zum Vertrieb der Ansichtskarten gibt es Aufzeichnungen. Die Karten wurden ab Juli 1902 und in den Folgejahren an Händler in Rostock und Warnemünde geliefert. In Rostock waren das überwiegend Papierwarenhändler, in Warnemünde eher touristisch ausgerichtete Läden und Hoteliers.
Nachfolgend werden entsprechend der Nummerierung die mir verfügbaren Karten abgebildet und ggf. kommentiert.
Im Bildvordergrund warten drei Droschken auf Kundschaft. Rechts daneben die Schienen der Pferdebahn. Folgt man den Schienen in Richtung Kröpeliner Tor, stößt man kurz vor der Universität auf die Pferdebahn.
Die beiden vorigen Aufnahmen sind typisch für Friedrich Reincke. Er stand mit seiner Kamera nicht auf der Straße, sondern hat die Aufnahme von einem erhöhten Standpunkt aufgenommen.
Dazu stellte er sich auf den Balkon des Hauses Hopfenmarkt 22, heute Kröpeliner Str. 76. Auf beiden Aufnahmen sind ganz rechts Erker und Balkon des Hauses Hopfenmarkt 20, heute Kröpeliner Straße 74 zu erkennen. Auf der nächsten Karte ist der Balkon, auf dem Friedrich Reincke stand, markiert.
Auch die nächsten beiden Motive wurden von einem Balkon oder Hausdach aufgenommen.
Auch für diese Karte stellte sich der Fotograf auf einen Balkon. Rechts im Bild lässt sich ein Teil der Brüstung erkennen. Die Ansicht mit dem Lagebuschturm im Zentrum, gerahmt von St. Petri und St. Nikolai, wurde in den Folgejahren von weiteren Fotografen nahezu identisch aufgenommen.
Und dasselbe Motiv in kolorierter Fassung:
Promenade und Strand sind fast menschenleer. Nur wenige Strandkörbe sind aufgestellt. Die Strandbude am unteren rechten Bildrand gehört einem Fotografen, der in der Saison am Strand um Kundschaft warb. Der Strandkorb neben der Bude ist ein Requisit des Fotografen.
Zu sehen sind die Häuser Nr. 1 bis 7 der Moltkestraße, heute Kurhausstraße.
Im Doppelgiebelhaus ganz links im Bild, Moltkestraße 7 und 6, wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei Pensionen betrieben. Die Moltkestraße 7 trägt oben am Giebel die Bezeichnung Lisa. Pensionswirtin war Bertha Burchard. Sie war die Witwe des Rostocker Kaufmanns und Vize-Konsuls Carl Burchard. Es ist das einzige Haus in der Reihe, das durch einen Neubau ersetzt wurde. Die Nr. 6 wurde am Giebel mit Terese bezeichnet. Die Witwe Anna Ahrens bewirtschaftete die Pension. Die Nummer 5 trug und trägt den Namen Seeadler, die Nr.4 hieß Hertha, ist heute das Kurpark-Hotel. In der Nr.3 betrieb Friedrich Rose die Pension „Villa Germania“. Die Witwe Elise Wilm betrieb in der Nr. 2 eine Pension und die Nr. 1 ist die Villa Margarete, heute Ostseehotel.
Das Hotel Seestern stand an der Ecke Alter Strom / Rostocker Straße und wurde zu DDR-Zeiten in Haus des Sports umbenannt. Die Bahnhofsbrücke ist auf dem Bild nicht zu sehen, sie wurde erst ein Jahr später, 1903, errichtet. Friedrich Reincke hat auch das Hotel Seestern festgehalten, das ein frühes Beispiel dafür ist, dass der Tourismus in Warnemünde wichtiger ist als ein harmonisches Ortsbild. Die Karte gehört zu den wenigen Motiven, die nicht nummeriert sind.
Den Rosenort hat Friedrich Reincke fälschlicherweise zu Warnemünde zugeschlagen. Die beiden Herren auf dem Bild sind keine Zufallspassanten, sondern wurden vom Fotografen bewusst zur Motivbelebung benutzt.
Nachdem im Jahr 1903 der Neue Strom und die Mittelmole fertiggestellt waren, kam Friedrich Reincke noch einmal nach Warnemünde.