Friedrich Sewohl

Friedrich Sewohl wurde 19. Oktober 1860 in Pirnig (heute Pyrnik), ca. 50 km östlich von Grünberg (Zielona Gora) in Schlesien geboren.
Im Laufe des Jahres 1885 eröffnete Friedrich Sewohl ein Atelier in der Langen Straße 64, das zuvor von Friedrich Miede betrieben worden war.
sewohl-rz-1885-08-02Rostocker Zeitung, 02.08.1885
sewohl-ra-1885-11-22Rostocker Anzeiger, 22.11.1885

Visitformat, Rechte: Archiv Jens Vogel
Visitformat. Rechte: Archiv Jens Vogel

Die auf der Bildrückseite abgebildeten Medaillen sind keine Auszeichnungen, sondern ein Dekor, das sich wiederholt auf den Kartons von Sewohl findet.

Visitformat. Rechte: Archiv Jens Vogel
Visitformat. Rechte: Archiv Jens Vogel

Nach nur zwei Jahren zog Sewohl an den Hopfenmarkt 28 und übernahm das Atelier von August Best.

sewohl-ra-1887-10-29Rostocker Anzeiger, 29.10.1887

sewohl-1888-92-soldat-cdv-KopieDieses Bild wohl noch aus den 1880er Jahren ist ein gutes Beispiel für den „erborgten Prunk“ der Zeit. Auf dem reich verzierten Schreibtisch stehen eine Vase und neben dem aufgelehnten rechten Arm ein Humpen. Der Soldat hält in der rechten Hand eine Zigarre, der Hintergrund unterstützt die Inszenierung und der Mops aus Pappmache bildet das I-Tüpfelchen des Kitsches.
sewohl-frau-faecher-cdv-KopieDie enggeschnürte Dame lehnt auf einem Pappmachepostament. Auf der Rückseite des Visitformats finden sich rechts oben zwei Seiten einer Medaille, die die Abbildung einer Auszeichnung suggerieren, aber eben nur suggerieren, denn Friedrich Sewohl erhielt keine Auszeichungen.
sewohl-holldorf-kind-h28-cdv-KopieSewohl verfügte in seinem Atelier auch über Miniaturmöbel, wie z.B. einen Sessel, um Kinder besser ins Bild setzen zu können.
Im Januar 1890 wurde das Atelier zerstört. Grund dafür war ein Brand des benachbarten Speichers „des am Hopfenmarkt Nr. 29 belegenen Grundstückes der Firma „Paul Evert & Comp.“. Die Rostocker Zeitung berichtete am 21.1.1890 auf Seite 1. „Auf den Dächern der Nachbarhäuser am Hopfenmarkte standen unausgesetzt die braven Feuerwehrleute und wichen trotz der Hitze und des fast unerträglichen Qualms nicht von ihrem Posten … und bekämpften das Feuer.“ „Gegen Morgen stürzte der westlich Seitengiebel des Speichers auf das Dach des Nachbargrundstücks Hopfenmarkt 28 und richtete beträchtliche Zerstörungen an.“
Im April konnte Sewohl das Atelier wiedereröffnen.

Rostocker Zeitung, 04.04.1890
Rostocker Zeitung, 04.04.1890

1891 zog Sewohl in die Kröpeliner-Tor-Vorstadt.

sewohl-ra-1891-10-17Rostocker Anzeiger, 17.10.1891

Kurz vor oder nach der Eröffnung des Ateliers hatte Sewohl auch das Haus Doberaner Straße 123b erworben.

1892 nahm Sewohl an der Mecklenburgischen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung teil, wozu er bescheidene 3 m² anmietete.

Im Jahr 1893 warben einige Fotografen mit Preisangaben um ihre Kunden. So gab A.C. Reuter 12 Visit-Brustbilder für 3,50 Mark ab, August Diederici wollte fürs halbe Dutzend 3 Mark haben, Georg Kramer gab zum halben Dutzend für 3 Mark ein Kabinettbild gratis dazu. sewohl-ra-1893-03-21Rostocker Anzeiger 21.03.1893

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Am 04.08. 1894 wurde Sewohl in den renommierten Photographischen Verein zu Berlin aufgenommen. Im gleichen Jahr wurden z.B. auch Heinrich Tonn aus Schwerin, Carl Wolff aus Neustrelitz und Leipziger Hofphotograph Nicola Perscheid Vereinsmitglied.

Im August und September 1894 wurde bei Rostock unter dem Kommando von General Graf Alfred von Waldersee ein Manöver des IX: Armeekorps abgehalten, zu dem auch das Rostocker Füsilierregiment Nr. 90 gehörte. Am 25.09.1894 schrieb diesbezüglich die Rostocker Zeitung: „Der hiesige Photograph F. Sewohl hat ein gut gelungenes Manöverbild von der auf der Stower Feldmark abgehaltenen militärischen Kritik des Höchstcommandirenden aufgenommen und im Schaukasten am Markt ausgestellt.“ Neben Sewohl hat auch Rapahel Peters die Ereignisse im Bild festgehalten.

sewohl-theater-kab-Kopie

Im Oktober 1895 wurde das neue Stadttheater eingeweiht. In der Aufnahme ist unten rechts die Jahreszahl 1895 erkennbar. Die Fassadenfarbe scheint noch feucht zu sein. Die Maler sind noch am Werk und streichen die Balkonbrüstung.
sewohl-theater-kab-ausschn1896 wurden die Hausnummern in der Doberaner Straße neu festgelegt, Sewohls Haus hatte nun die Nummer 158.
Von 1897 bis 1901 führte Friedrich Sewohl auch in Stralsund in der Frankenstraße 5 ein Atelier. Ob das untenstehende Bild in Rostock oder Stralsund aufgenommen wurde ist unklar.
sewohl-soldat-stralsund-1898-cdv-v-Kopie

sewohl-kinder-1902-03-cdv-KopieFriedrich Sewohl führte Untersetzkartons mit Jahresangabe. Belegt sind diese für die Jahre 1894-98 und von 1901 bis zum abgebildeten Jahrgang 1902-1903. Gut zu erkennen auf der Kartonrückseite ist das Haus, in dem sich das Atelier befand. Neben dem Hauseingang und am Durchgang zum Hof sind einige Schaukästen angebracht.

doberaner-platz-sewohl-1903-ak-kkDoberaner Straße 158. Ausschnitt aus einer Postkarte, spätestens 1904. Gut zu erkennen sind die Schaukästen beiderseits der Eingangstür. Ob an der seitlichen Hauswand tatsächlich der Namenszug von Friedrich Sewohl stand wie auf der Rückseite des obigen Visitkartons abgebildet, bleibt offen, da auf der Postkarte sämtliche Namensschilder von Ladeninhabern wegretuschiert wurden.
Zur Volkszählung 1900 wohnt Sewohl mit seiner Frau, drei Söhnen, einem Gehilfen, einem Lehrling und einem (Dienst)Mädchen in der Doberaner Straße.
sewohl-rz-1904-08-04-kRostocker Zeitung, 04.08.1904
Im August 1904 und somit nicht wie geplant zu Ostern 1904 zog Sewohl in den Neubau Kröpeliner Straße 39, bis 1910 war er Eigentümer dieses Hauses.
sewohl-ra-1904-10-05Rostocker Anzeiger vom 05.10.1904

Innerhalb von 11 Jahren hatte sich der Preis für 12  Visitporträts von fünf auf drei Mark reduziert. Allerdings hatte mittlerweile das Fotoatelier im Kaufhaus Wertheim eröffnet, wo das Dutzend Visit ab 1,80 Mark angeboten wurde.

Kröpeliner Straße 38-40. Ausschnitt auf einer Luftbildaufnahme von ca. 1920. Rot eingefärbt das Atelier von Sewohl.
Kröpeliner Straße 38-40. Ausschnitt auf einer Luftbildaufnahme von ca. 1920. Rot eingefärbt das Atelier von Sewohl.
Kröpeliner Straße um 1905. Ganz rechts die Kröpeliner Straße 39. Ansichtskarte; 1914 gelaufen

Und noch ein Ausschnitt:

Der Herr rechts im Bild verdeckt den Schaukasten von Friedrich Sewohl. Über dem Schaukasten kann man lesen: Friedr. Sewohl. Photographisches Atelier. II. Treppe.

Es ist schon beachtlich, dass sich Sewohl nur wenige Meter neben Wertheim, Kröpeliner Str. 33-35, und in direkter Nachbarschaft zu Ulrich Reinholdt ansiedelte, der in der Nr. 40 sein Atelier hatte.

sewohl-junge-frau-1905-1907-cdv-KopieCDV im Langformat, das Anfang des 20. Jahrhunderts in Mode kam. Der Drucker des Untersetzkartons war wohl nicht aus der Gegend, denn die Kröpeliner Straße wurde mit „g“ statt „p“ gedruckt.
In dem neuen Atelier wurde nun auch elektrisches Licht angewandt.sewohl-ra-1906-09-30-kRostocker Anzeiger, 30.09.1906

16-hagemeister-sewohl-cdv-kAuf diesem CDV ist die Straße richtig geschrieben. (Rechte: Thomas Meier; Hagemeister-Nachlass)

berteau-cdv-1907-okt-KopieIn den Jahren 1907/1908 war Friedrich Sewohl nicht als Fotograf tätig. Richard Berteau übernahm für kurze Zeit das Atelier. Er übernahm auch die Untersetzkartons, drehte diese und ließ auf der Vorderseite seinen Namen eindrucken. Über dem Kopf des Soldaten schlägt der ursprüngliche Schriftzug leicht durch: „Friedr. Sewohl“ und darunter eine girlandenartige Gestaltung. Hier ein ähnliches Beispiel:

25-reinholdt-cdv-2-KopieIm „Wismar’schen Adreß-Buch“ ist Friedrich Sewohl in den Ausgaben 1909, 1910 und 1911 als Fotograf in der Scheuerstraße 4 eingetragen.

sewohl-wismar-kind-cdv-Kopie1909 hatte Sewohl das Atelier in der Kröpeliner Straße wieder übernommen und führte es dieses zusammen mit seinem Sohn Ottomar bis 1910. Dann wurde der Senior Rentier, der Sohn führte das Atelier noch bis ins Jahr 1911. Das Fotoatelier in der Kröpeliner Straße wird anschließend in andererweitig genutzt.

Zu diesem Zeitpunkt wohnte Friedrich Sewohl bereits in der Lloydstraße 9. Auch dieses Haus hatte er käuflich erworben. 1913 bis 1918 lebte Sewohl, wiederum als Hauseigentümer, in der Augustenstraße 112.

Danach verliert sich die Spur der Sewohls.

Dank an die Stadtarchive von Stralsund und Wismar für die Adressbuchrecherchen.

 

 

 

 

 

 

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