Ein Konvolut aus dem Verwandtenkreis des Fotografen Otto Ahrens erlaubt Einblicke, die über die normalerweise überkommenen Fotografien und Zeitungsannoncen hinausgehen: in die Militärzeit des Fotografen, in das Sommersaisongeschäft in Müritz, die oft etwas völkisch anmutenden Motive der 1930er Jahre und einiges mehr.
Otto Ahrens wurde am 7.9.1876 in Damgarten geboren. Sein Vater war Kaufmann. Spätestens 1902 ließ er sich als Fotograf in Müritz nieder. Im selben Jahr heiratete er die aus Schleswig stammende Gastwirtstochter Dorothea Petersen. Im Jahr 1903 wurde Sohn Hermann geboren.
Spätestens 1907 verlegte Ahrens den Hauptsitz seines Ateliers nach Ribnitz in die Ulmenallee.
Otto Ahrens gehörte zu den wenigen Fotografen, die den mecklenburgischen Großherzog und Gefolge fotografieren durften.
Während des 1. Weltkriegs war Otto Ahrens in den Jahren 1917/18 im Fronteinsatz in Westflandern.
Noch ein Foto aus Moorslede:
Und die Rückseite:
Zuhause wurde Buch geführt über die Pakete, die an die Front geschickt wurden:
Rückseitig von Hermann beschriftet:
Aus fotohistorischer Sicht interessant ist, dass bei der Aufnahme eine Stütze verwendet wurde, damit Hermann auch ja nicht wackelte. Es wurde versucht, die Stütze zwischen den Beinen auf dem Negativ weg zu retuschieren.
Nach dem Krieg widmete sich Otto Ahrens wieder seinem Beruf.
Neben dem Fotoatelier betrieb Ahrens spätestens ab den 1920er Jahren die Pension Haus Hohenzollern im Ostseebad Müritz.
Sohn Hermann spielte in der Freizeit Hockey.
Aus dem Jahr 1920 finden sich eine Werbekarte und eine Preisliste der Vereinigten Fabriken Photographischer Papiere Dresden in dem Konvolut. Daraus wird deutlich, welche Vielfalt an Formaten und Papiersorten erhältlich war.
Aus den 1920er Jahren fanden sich nahezu keine Fotos in dem Konvolut, wohl aber etwas Schriftverkehr, der einen Einblick in das fotografische Saisongewerbe in Müritz gibt. So hat sich aus dem Jahr 1928 der Entwurf eines Schreibens an eine Krankenkasse erhalten, die anscheinend von Ahrens die Abführung von Beiträgen für zwei angestellte Fotografen anmahnte. Ahrens wollte der Kasse antworten, dass die beiden Fotografen jeweils selbst ein Atelier in Dresden bzw. Schwerte unterhielten und in Müritz auf eigene Rechnung, also selbstständig tätig seien.
Aus dem Jahr 1929 haben sich eine Reihe von Bewerbungen für eine Laborantenstelle in Müritz erhalten. Interessant ist, dass unter den acht Bewerbungen sich nur eine von einem Mann findet. Auch wird deutlich, dass die Bewerberinnen und der Bewerber äußerst mobil waren, im Sommer arbeiteten sie in einem Atelier an Nord- oder Ostsee, im Winter im Gebirge.
Aus den 1930er Jahren sind eine Vielzahl von Fotos erhalten, die von Ahrens zu Anlässen wie Erntedank, Kinderfest usw. aufgenommen wurden. Da viele der Fotografien in entsprechend beschrifteten Umschlägen aufbewahrt wurden und Spuren von Reißzwecken aufweisen, kann davon ausgegangen werden, dass es Aushangfotos waren.
Die Bilder dokumentieren die gesellschaftlichen Höhepunkte einer Kleinstadt, geprägt von Brauchtum und Nationalsozialismus.
Die folgenden Aufnahmen sind Postkartenformate und wurden während der Reichshandwerkerwoche 1933 aufgenommen:
Und noch eine Rückseite:
Es folgen Aufnahmen vom Erntedank 1933.
Und noch eine Rückseite:
1934 brannte das Moor: Auch für diese Bilder wurden Agfa-Papiere verwendet. Hier noch der Umschlag, in dem die Bilder verwahrt wurden: Ebenfalls 1934 wurden feierlich Eichen gepflanzt:
Kinderfest in Kuhlrade 1935:
Und noch ein Kinderfest, 1936 in Klockenhagen: Und der Erntedank 1936:
1937, wieder ein Kinderfest, wohl in Ribnitz: Es folgen Bilder von der Bullenkörung, ebenfalls von 1937:
Die folgende Aufnahme weist einen seltenen Stempel von Ahrens auf und wird wohl auch aus den 1930er Jahren stammen: Aus der Zeit von 1920 bis 1945 sind nur wenige Atelieraufnahmen überliefert. Eine aus den 1930er Jahren zeigt den Fotografen Helenkiewicz, der in den 1940er Jahren ein Atelier in Rostock führte:
Dazu der rückseitige Stempel:
Hier zwei Beispiele (auch Postkartenformate), die wohl um 1940 entstanden: Und noch der rückseitige Stempel:
Das Fotogeschäft wurde durch den Krieg hindurch geführt. Die Ulmenallee war längst in Hindenburgallee umbenannt.
Aus dem Jahr 1944 haben sich einige Nachbestellungen erhalten.
1945 starb Dorothea Ahrens. Nicht lange danach heiratete Otto Ahrens wieder.
Der Fotografenstempel ist nahezu identisch mit dem aus den 1930er Jahren, es fehlt jedoch die Telefonnummer. Es folgen einige Bilder mit dem Stempel ohne Telefonnummer, die wohl in der Zeit 1945-1950 entstanden.
Die Nachkriegszeit war eine Zeit des Mangels. So fanden sich in dem Nachlass verschiedene Blättchen, in denen Fotografen Tauschanzeigen annoncierten.
Ab ca. 1950 benutzte Ahrens einen neuen Stempel. Die Hindenburgallee hieß nun Stalin-Allee. Und einige Bilder aus dieser Zeit, zuerst drei Aufnahmen derselben Frau.
Und noch einige weitere Beispiele, zuerst der Anwalt von Otto Ahrens:
1956 starb Otto Ahrens.
Das Fotoatelier führte Else Ahrens weiter.
Die nächsten drei Aufnahmen entstanden 1957. Im Januar 1958 wurde dem Fotoatelier Ahrens die Gewerbegenehmigung vom Rat der Stadt Ribnitz-Damgarten entzogen. Laut Bezirkshandwerkskammer, Kreisgeschäftsstelle Ribnitz-Damgarten, erfüllte Else Ahrens nicht die fachlichen Voraussetzungen zur Weiterführungen des Geschäfts.
Nach mehr als 50 Jahren schloss das Atelier für immer.
Vielen Dank an Jana Behnke vom Stadtarchiv Ribnitz-Damgarten.