Ansichtskarten von Rostock haben eine Vielzahl von Firmen und Personen verlegt. Die größeren Postkartenverlage hatten ganz überwiegend touristische Motive im Programm, die ortsansässigen Verleger ließen auch Auflagen mit Ansichten von Hotels und Gaststätten oder von Besuchen prominenter Personen fertigen. Die Rostocker Verleger waren meist Papierwarenhändler (Rathkens, Mylau u.a.), Buchhändler (Krakow) und Fotografen aus Rostock und Umgebung.
In den 1900er und 1910er Jahren wurde eine Vielzahl von Karten von A. Nerger fotografiert und verlegt.
In den Adressbüchern Jahre findet sich kein Fotograf A. Nerger. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es der Kaufmann Adolf Nerger war, der die Karten verlegte.
Adolf Nerger wurde 1864 in Tessin geboren. Er war der Papierform nach ein Onkel des Marineoffiziers Karl-August Nerger, der im 1. Weltkrieg mit seinem Hilfkreuzer „Wolf“ sehr erfolgreich Handelskrieg führte. Mitte der 1870er Jahre zog die Familie nach dem Tod des Vaters nach Rostock. Adolf heiratete 1889 Caroline Sophie Anna Ehlers – später Auguste genannt – in Doberan. In den 1890er Jahren war das junge Paar in Sachsen ansässig. Bald darauf zog die Familie nach Rostock. In den Adressbüchern und Volkzählungslisten wird Nerger als Kaufmann oder Geschäftsreisender geführt. Am 31.01.1913 starb Adolf Nerger nach langer, schwerer Krankheit. Wahrscheinlich führte seine Frau den Verlag unter gleichem Namen fort. Nach ihrem Tod 1923 übernahm der Buch- und Papierhändler Erich Rönnberg für einige Jahre den Verlag als A. Nerger Nachfolger. Wohl bis in die 1930er Jahre vertrieb Rönnberg die Karten.
Die Postkartenmotive wurden ca. von 1903 bis 1918 aufgenommen. Hier die bisher frühesten Belege:
Da Adolf Nerger 1913 starb, kann er nicht alle Aufnahmen gemacht haben. Bleibt die Frage, wer die Aufnahmen gemacht hat, die nach Nergers Tod 1913 entstanden und ob er überhaupt der Fotograf war oder ob es seine Frau Auguste war.
Größe der Ansichtskarten, Papier- und Druckqualität und Gestaltung der Schriften sind sehr unterschiedlich. Einige Karten ließ Nerger in der renommierten Lichtdruckerei von Knackstedt & Co. in Hamburg herstellen, bei den meisten Karten ist die Druckerei nicht zu erkennen.
Hier einige Beispiele für den rückseitigen Schriftzug, von dem es mehr als 20 Varianten gibt:
Häufig setzte Nerger auf der Rückseite zu seinem Namen noch eine Nummer. Allerdings wurden Nummern auch mehrfach vergeben.
Alle nachfolgenden Abbildungen geben Ansichtskarten wieder. Auf die Angabe der rückseitigen Nummern wird verzichtet.
Wir machen einen Stadtrundgang und fangen im Osten an:
Die Einweihung des Reuter-Steins im Stadtpark fand am 21.07.1912 statt. Die Karte ist 1919 gelaufen.
Sehr wahrscheinlich hat Nerger bei den Bäumen im Stadtpark etwas „aufgeforstet“, um die dahinterliegenden Häuser an der Tessiner Straße zu verdecken. Dies legt die nächste Karte nahe, die allerdings einige Jahre eher um 1905 entstand.
Noch einmal dasselbe Motiv, diesmal koloriert. Verlegt wurde die Karte von Paul Gröger, der von ca. 1915 bis 1920 ein Papierwarengeschäft am Blücherplatz führte:
Das identische Motiv von Rönnberg:
Und dasselbe Motiv koloriert:
Noch einmal das gleiche Motiv mit etwas größerem Bildausschnitt:
Das identische Motiv wurde bereits um 1900 vom Buchhändler Hermann Koch verlegt:
Es ist anzunehmen, dass Nerger der Fotograf war.
Gegenüber der Fischerbastion am anderen Ufer der Warnow liegt Gehsldorf.
Es folgt noch einmal das identische Motiv, diesmal koloriert. Verlegt wurde die Karte von Hermann Koch, ein Hinweis auf Adolf Nerger findet sich nicht. Stellt sich die Frage, wer bei wem geklaut hat.
Dieses Motiv wurde sehr wahrscheinlich nicht von Adolf Nerger aufgenommen. Es wurde bereits vor 1900 von der Papierwarenhändlerin Anna Beyer verlegt. Wenn man genau hinsieht findet sich unterhalb des gedruckten Titels die Inschrift „Ständehaus“: Solche Bildunterschriften wurden nach 1900 nur selten verwendet. Es ist davon auszugehen, dass Nerger sich das Motiv „angeeignet“ hat.
Und in der kolorierten Fassung:
Auch diese Aufnahme wurde einige Jahre zuvor von Hermann Koch verlegt. Von Nerger gibt es das Motiv auch seitenverkehrt:
Die obige Aufnahme entstand im Zeitraum 1907/1911. In dieser Zeit wurde im Hopfenmarkt 14, das ist das Haus rechts im Bild ein Kino betrieben. 1911 zog dann ein Autohaus-Niederlassung ein und die Karte wurde mit einer Retusche in Umlauf gebracht:
Die kolorierte Version:
Das identische Motiv von Rönnberg:
Interessant ist auch die Rückseite:
Erich Rönnberg führte Ende der 1930/Anfang der 1940er Jahre eine Leihbücherei und gab die abgebildete Ansichtskarte als Leihschein aus.
Kurzer Abstecher in die Steintor-Vorstadt:
Und noch die kolorierte Version:
Und noch die kolorierte Fassung:
Diese Aufnahme gibt doch einige Rätsel auf, denn die Lessingstraße war nördlich der Schillerstraße auf der Ostseite nie bebaut. Das Bild ist seitenverkehrt gedruckt worden, hier die richtige Ansicht:
Wenn in der Bildmitte nicht das Kröpeliner Tor zu sehen, würde man sich nicht in Rostock wähnen.
Über den Wall geht´s zurück zum Kröpeliner Tor.
Auf der Karte wurden einige Personen wegretuschiert, wie sich auf dem nächsten Bild erkennen lässt.
Noch einmal die Kirche, diesmal fehlen einige Kinder, wegretuschiert?
Auch in Warnemünde war Nerger unterwegs.
Und in Brunshaupten:
Und bei Neubukow:
Und in Stavenhagen:
Und dazu noch die Rückseite:
Die beiden letzten Fotos gehörten der Druckerei Knackstedt & Co. in Hamburg und dienten wahrscheinlich als Vorlagen für die Herstellung von Ansichtskarten. R. Bruhn aus Stavenhagen war der Verleger der Ansichtskarten.
Hier die Motive als Ansichtskarten, verlegt von Richard Bruhn. Ein Hinweis auf die Druckerei findet sich nicht.
Auch aus Güstrow gibt es einige Motive von Nerger. Dank an dieser Stelle an Thomas Pilz, der die Fotos zur Verfügung gestellt hat.
Hergestellt wurde davon folgende Postkarte, die ohne Urheberangabe erschien:
Auch dazu gibt es das Endprodukt, wieder ohne Nennung des Urhebers: